Und wieder ist ein Wahljahr vorbei. Ein Wahljahr, das uns von der SVP - wie gewohnt - einen durchschlagenden Erfolg in der Legislative und wenig Lorbeeren bei der Exekutive brachte. Wenigstens haben wir jetzt mit Christoph Blocher einen zweiten Bundesrat und mit Urs Dickerhof einen zweiten Gemeinderat in der zweitgrössten Gemeinde des Kantons. Noch immer kommen aber (zu) viele Gemeinde-Exekutiven ohne SVP-Vertretung aus, noch immer fehlt uns im Kanton Luzern ein eigener Regierungsrat. Leider gehört es zur politischen Tagesordnung, dass man als SVP-Politiker im Kreuzfeuer der Kritik steht. Das ist in Bundesbern nicht anders, als auf kantonaler oder kommunaler Ebene. Weshalb dies so ist, vermag eigentlich niemand so genau zu erklären. Ebenso wenig die Tatsache, warum sich ein grosser Teil unserer Anhängerschaft - und das sind je nach Wahl- oder Abstimmungsthema immerhin zwischen 20 und 50 Prozent der Bevölkerung - immer noch nicht öffentlich zu ihrer poltisichen Grundhaltung bekennt. Offensichtlich hat es die so genannte «Classe politique» geschafft, uns einen undefinierten Makel anzuhängen.
Vielleicht liegt es an unserer Oppositionspolitik. Es gehört nämlich zur politischen Grundauffassung der SVP, dass die Legislative als eigentliche Volksvertretung nicht alles zu schlucken und gutzuheissen hat, was ihr die Regierung vorlegt. Dass diese konsequente Grundhaltung nichts mit voreingenommenem Nein-Sagen zu tun hat, haben die letzten beiden Abstimmungssonntage bewiesen, wo die SVP für fünf von sechs Vorlagen die JA-Parole herausgeben hat. Wir sind weder rückwärts gerichtet, noch sagen wir zu allem und jedem nein, wie uns von unseren politischen Gegnern immer wieder vorgeworfen wird. Auch wir setzen uns für Veränderungen ein und sind offen für Neues. Sofern das Neue besser ist als das Alte. Diese Grundhaltung wird sich auch jetzt nicht ändern, wo wir vereinzelt eigene Mitglieder in der Regierung haben. Die Gewaltentrennung kommt nicht von ungefähr. Die Exekutivmitglieder sind nämlich an das Kollegialitätsprinzip gebunden und haben in vielen Fällen eine andere Interessenlage als das Parlament. Ebenso geht es den Gross- und Nationalräten, welche die Anliegen, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Wählerschaft zu vertreten haben.
Einen eigenen Vertreter in der Regierung zu haben, ist für eine Partei wie die unsere essentiell. Es ermöglicht uns den Zugang zum so genannten Insiderwissen. Ein Wissen, das notwendig ist, um im Parlament fundierte Entscheide zu treffen. Ein eigener Bundes-, Regierungs- oder Gemeinderat kann die politische Arbeit der Parlamentsfraktion konstruktiv beeinflussen und - zugegebenermasssen - auch die eine oder andere Opposition verhindern. Wir von der SVP sind jedenfalls bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das haben wir während der letzten Monate mit unseren Kandidaturen für die verschiedenen Gemeinde-Exekutiven bewiesen. Wir sind bereit, die bürgerliche Wende, die am 10. Dezember auch auf Bundesebene eingeleitet wurde, durch sorgfältiges und minutiöses Schaffen in Parlament und Regierung definitiv herbeizuführen. Mehr denn je gilt es jetzt, die Schulden- und Umverteilungspolitik, die in den vergangenen Jahren zur Aufblähung unseres Staates geführt hat, zu korrigieren.
Dass der Weg dazu noch lang und beschwerlich ist, haben die beiden letzten Abstimmungsrunden gezeigt. Dort haben die Linken - die echten wie die verkappten - mit ihren Weltuntergangsszenarien und ihren Neid¬kampagnen gegen Wohlhabende den Weg für eine zukunftsgerichtete, nachhaltige Lösung der Probleme - der Verkehr in den Agglomerationen zum Beispiel oder die übermässige und ungerechte Steuerbelastung von kinderreichen Familien - auf Jahre hinaus verbaut. Gerade in der Fiskalpolitik hätten wir am Wochenende eine Richtungsänderung bewirken können. Nun gilt es für alle bürgerlichen Kräfte dieses Landes, aus der Ab¬stimmungsschlappe vom Sonntag die notwendigen Lehren zu ziehen. So zum Beispiel, dass wir dem Volk unsere Argumente besser verständlich machen müssen, und dass wir bei der nächsten Abstimmung das Fuder nicht mehr überladen dürfen. So grossen «Päckli» zu schnüren, dass am Schluss jeder irgendwo ein Haar in der Suppe finden kann, das darf nicht mehr passieren. Kurz und gut: Zentrale Aufgabe der SVP wird es auch in den nächsten vier Jahren sein, in der ihr zugewiesenen Oppositionsrolle die Grenzen des politisch Machbaren klar abzustecken. Nicht, indem wir von vornherein zu allem Nein sagen, was aus dem Regierungsgebäude kommt, aber indem wir der Exekutive genau auf die Finger schauen. Wir werden auch in Zukunft unterstützen, was den Bund, den Kanton oder die Gemeinde weiterbringt, und bekämpfen, was ihm schadet. Konstruktive Oppositionspolitik nennt man das. Zählen Sie darauf.
Felix Müri, Nationalrat und Präsident SVP des Kantons Luzern